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SCHÜLER MACHEN ZEITUNG 4 Rhein-Neckar-Zeitung 9 Juli 2024 Kulturschock in den 70ern Die Großmutter eines Schülers berichtet von ihrer Einwanderung aus Indien Statt Reis und Curry gab es Würstchen Von Jeevan Tharakan Klasse 9a Max-Born-Gymnasium Neckargemünd Deutschland litt in den 70erund 80-er-Jahren an Personenmangel in diversen Arbeitsbereichen Deutschland rekrutierte Fachkräfte vorwiegend aus christlichen Ländern wie zum Beispiel den Philippinen oder – in dem Fall meiner Oma – aus Südindien Kerala Deutschland wurde vom Auswanderungsland zum Einwanderungsland Meine Oma Mariya Mappalassary kam mit 16 Jahren nach Deutschland und hat mir ihre Geschichte erzählt Wie bist Du darauf gekommen auszuwandern? Ich bin nicht selbst darauf gekommen sondern ein Bischof suchte nach jungen Frauen die eine Ausbildung in Deutschland machen wollten und erzählte es meinem Cousin der wiederum mich fragte ob ich nicht dorthin wolle um eine Ausbildung als Krankenschwester anzufangen War das schon immer Dein Plan gewesen Krankenschwester zu werden? Eigentlich wollte ich Lehrerin werden aber aufgrund meiner persönlichen Situation – ich war Einzelkind und hatte nur noch meine Mutter – ging ich nach Deutschland weil das auf weite Sicht eine gute Entscheidung sein würde Wie war es dann in Deutschland? Wir kamen im Oktober 1970 in Deutschland an Es war sehr kalt Es war total anders wir kamen aus einer Region wo es 30 Grad Celsius hatte Wir kamen in ein von Nonnen geführtes Krankenhaus in die Orthopädie Der Empfang war sehr herzlich glaube ich zumindest da ich zu der Zeit kein Deutsch konnte Englisch konnte ich sprechen aber die Deutschen konnten kein Englisch sprechen Die Orthopädie war so riesig wir kannten so große Krankenhäuser in Indien nicht Dann bekamen wir Essen Brot mit Wurst und Krautsalat das schmeckte uns gar nicht Am nächsten Tag wurden wir durch das Klinikum geführt Zum Mittagessen dachten wir dass es Reis und Curry geben würde doch es gab Wiener Würstchen und Kartoffelsalat der uns auch nicht schmeckte Auch die Badezimmerausstattung in Deutschland war anders Es gab Badewannen die es in Indien nicht gab Beim Essen in Deutschland wurden immer nur zwei Gewürze benutzt Salz und Pfeffer das war ganz anders als in Indien wo es haufenweise verschiedene Gewürze gibt Mitte November sollten wir dann arbeiten aber unsere Arbeit bestand darin die Stationen zu putzen An dem Abend hatten wir richtig Heimweh wir weinten viel Wir wollten wieder zurück Ein paar Wochen später brachte uns ein Englischstudent Deutsch bei Wir lernten schnell Unser Alltag bestand darin zu putzen und Deutsch zu lernen Das Highlight war wenn wir abends Fernsehen durften Nach einem Jahr war dann die Einteilung für die Krankenpflegeschule Da ich aber keine 18 Jahrealtwar musste ichnocheinJahr putzen Das fand ich dann schon blöd dass ich ein Jahr warten musste Du redest ja die ganze Zeit von „wir“ wer war noch dabei? Es waren noch vier andere Mädchen aus Kerala mitgekommen Es gab schon eine Gruppe indischer Frauen die fünf Jahre zuvor hergekommen war Wir waren die zweite Gruppe Wir mussten zu fünft in einem Zimmer schlafen Hattest Du mit Rassismus zu kämpfen? Nein gar nicht Wir waren beim Heidelberger Schloss und alle bewunderten uns Wir waren Exoten Sie fragen uns nach Fotos Es war einfach nur ein tolles Gefühl Die Oma kam aus Kerala in Südindien wo 30 Grad Celsius herrschten In Deutschland war es kalt Foto privat Kindheitserinnerungen der Oma Als das Spielen tödlich hätte enden können Von Josefin Schams Klasse 9a Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium Eppelheim Großmutter Inge wurde 1944 im heutigen Ostseebad Sopot nahe Danzig geboren Mit einem Sammeltransport landete sie nach dem Kriegsende in der Nähe von Stralsund und wuchsdortmitdreiGeschwisternauf Finanziell war es für die Familie eine schwierige Zeit Während der Vater arbeitete kümmerte sich die Mutter um den Haushalt und um die Kinder Um Taschengeld dazuzuverdienen halfen Inge und ihre Geschwister manchmal auf den Feldern bei der Kartoffeloder Rübenernte mit Außerdem nähte ihre Mutter Kleider aus alten Gardinen für Inge und ihre Schwestern um Geld zu sparen Unter der Woche ging sie auf eine polytechnische Oberschule wo die Schultage normalerweise ruhig verliefen Sie ging gerne zur Schule und hatte fast immer gute Noten Eines der Fächer das sie sehr mochte war Kochen Es war eine freiwillige Beschäftigung bei der man bei den Vorbereitungen fürs Mittagsessen half Gegessen wurde anschließend gemeinsam in der Kantine welche sich im Untergeschoss der Schule befand Wenn die Schule aus war machte Inge nachdem sie nach Hause gelaufen war immer gleich ihre Schulaufgaben damit sie den restlichen Tag mit Spielen verbringen konnte Nachmittags kamen oft die Kinder aus der Nachbarschaft zusammen um gemeinsam zu spielen Dabei war es egal ob man mit diesen wirklich befreundet war oder nicht Oft wurden Straßenspiele wie „Humpeltick“ was heute unter dem Namen „Himmel und Hölle“ bekannt ist gespielt oder auch Ballspiele wie Fußball Da es jedoch kein Fußballfeld gab haben sich die zwei Mannschaften auf gegenüberliegenden Straßenseiten aufgestellt mit dem Ziel den Ball flach an die Bordsteinkante der Gegner zu schießen In den Ferien ging Inge gerne mit ihren Freunden als eine Art Truppe zu Gebäuden und anderen Orten die durch gewaltige Bombardierungen im Zweiten Weltkrieg zerstört wurden Diese Erkundungen machten zwar Spaß hätten aber auch tödlich sein können „Meine Eltern warnten uns immer wegen der Bomben und weil da ja noch scharfe Munition lag“ sagt Inge Elektrische Geräte wie Handys mit denen Kinder in der heutigen Zeit schon groß werden gab es damals nicht Und ein Fernseher kam schon alleine wegen des Preises für Inges Familie nicht in Frage Manchmal sagte Inge jedoch ihren Eltern dass sie nach draußen zu ihren Freunden zum Spielen gehen würde In Wirklichkeit schlich sie sich jedoch heimlich zu ihren Nachbarn die finanziell besser aufgestellt waren um dort für eine Weile Fernzusehen Oma Inge bei ihrer Einschulung mit sieben Jahren Foto privat