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„Wenn es darauf ankam haben wir uns immer zusammengerissen“ Der Betriebsratsvorsitzende Ralph Arns und Mirko Geiger früherer Geschäftsführer der IG Metall Heidelberg über den Zusammenhalt bei Heidelberger Druck und eine Belegschaft die sich nicht unterkriegen lässt Von Matthias Kros Heidelberger Druck ist krisenerprobt wie kaum ein anderes Unternehmen der Region Die Restrukturierungenwarenmitunterschmerzhaft doch das Traditionsunternehmen ist immer wieder auf die Beine gekommen Ein Grund dafür ist sicher das beispielhafte Zusammenwirken von Geschäftsführung und Arbeitnehmervertretern Ralph Arns Vorsitzender des Betriebsrats und Mirko Geiger viele Jahre Chef der IG Metall Heidelberg blicken zurück > Ist es angesichts der zahlreichen Restrukturierungen und Sparprogramme nicht ein sehr undankbar Job Arbeitnehmervertreter von Heidelberger Druck zu sein? Arns Die Betriebsratsarbeit hat sich natürlich gewandelt Nach den goldenen Zeiten machen wir uns inzwischen viele Gedanken über Einsparmaßnahmen Trotz dieser Herausforderungen haben wir als Betriebsrat aber niemals das Große und Ganze aus den Augen verloren Das Wichtigste war immer dass die Firma und die Arbeitsplätze am Standort gesichert werden Natürlich hat das alles auch Schmerzen verursacht aber so ist es nun einmal Mir macht die Arbeit im Betriebsrat nach wie vor Spaß Man wächst mit den Aufgaben und ich bin sicher dass das Unternehmen mit unserem neuen Vorstandsvorsitzenden Jürgen Otto eine Zukunft hat > Wann endeten für Heidelberger Druck denn die von Ihnen erwähnten „goldenen Zeiten“? Geiger Ich erinnere mich noch gut daran Das war im Jahr 2008 als die Finanzkrise die gesamte Weltwirtschaft erschütterte Die Produktion bei Heidelberger Druck lief unter Volldampf die Branchenmesse Drupa hatte die Auftragsbücher kräftig gefüllt In Wiesloch arbeiteten damals noch rund 9500 Beschäftigte Plötzlich wurden Bestellungen storniert viele Druckmaschinen standen auf Halde und es war klar dass es so nicht weitergehen würde Im Jahr 2012 mussten über 1000 Leute allein im Stammwerk gehen > War das aus Ihrer Sicht die schwierigste Phase für Heidelberger Druck? Geiger Das nicht Aber es waren Verhandlungen in denen ein Umdenken einsetzen musste Das war das eigentlich Schwierige In der Finanzkrise dachten alle zunächst Das wird schon wieder Uns wurde aber schnell klar dass wir nicht in einer konjunkturellen sondern in einer strukturellen Krise steckten und es darum gehen musste die Werke und Arbeitsplätze zu sichern > Was war dann die schwierigste Phase? Arns Das war vor gut fünf Jahren als wir unseren Pensionsfonds auflösen mussten um die Firma über Wasser zu halten Ich bin kein ängstlicher Mensch ganz bestimmt nicht Aber damals habe ich wirklich schlucken müssen > Das war 2020 als Heidelberger Druck fast 400 Millionen Euro aus dem 2005 gegründeten Heidelberg Pension-Trust-Fond in die Liquiditätsreserven des Unternehmens zurückgeführt hatte um es zu stabilisieren… Geiger Das war schon ein Riesenschritt Denn wir mussten dabei ja sicherstellen dass die zugesagten Versorgungen unserer Pensionäre zu keiner Sekunde gefährdet werden Das dürfte eine ziemlich einmalige Aktion gewesen sein Am Ende ist das gelungen Und zwar als konzertierte Aktion zwischen Geschäftsführung Betriebsrat und IG Metall Dass es geklappt hat muss man allen Beteiligten hoch anrechnen > Dieses „An einem Strang ziehen“ scheint bei Heidelberger Druck ja insgesamt gut zu klappen Trotz der schmerzlichen Restrukturierungen kam es eigentlich nie zu größeren Zerwürfnissen und Widerstand Arns Natürlich waren unsere Ziele oft unterschiedlich Und es gibt von uns auch keinen Beifall wenn es um Personalabbau geht Aber es war immer klar dass es für das Unternehmen eng werden kann wenn wir uns in schwierigen Situationen zerstreiten Deswegen haben wir uns immer zusammengerissen Und es war auch von beiden Seiten stets eine Kompromissbereitschaft da > Deshalb haben Sie als Arbeitnehmervertreter die Restrukturierungen in der Regel ja auch ausdrücklich mitgetragen Hatte die Belegschaft manchmal sogar mehr Widerstand erwartet? Arns Selbstverständlich ist viel Überzeugungsarbeit nötig Es ist aber auch nicht so dass es gar keinen Widerstand gab Sie müssen sich ja immer anschauen was ursprünglich auf dem Tisch gelegen hat Wir haben da durchaus große Verhandlungserfolge erzielt und Dinge gerettet Es ist immer eine Kunst das auszutarieren Dass so etwas nicht schmerzfrei ist ist natürlich klar Für die Beschäftigten wird es aber erträglicher wenn es auf beiden Seiten Schmerzen bereitet Und dass etwas passieren musste das haben auch die Mitarbeiter stets gesehen Die Kollegen kennen ja die Finanzzahlen und wissen was im Betrieb vor sich geht Geiger Letztlich geht es auch darum wie man mit der Belegschaft kommuniziert Die Vertrauensleute der IG Metall und Vertreter des Betriebsrats haben den Kollegen am Arbeitsplatz stets Rede und Antwort gestanden und haben – das ist ganz wichtig – den Beschäftigten nie etwas vorgemacht Um Kompromisse zu erzielen haben wir immer in Rückkopplung mit den Leuten gestanden Das hat viel Vertrauen geschaffen > Trotzdem hat die Stimmung in der Belegschaft bei so vielen Sparrunden sicher gelitten oder? Arns Natürlich hat das Spuren hinterlassen Eine gewisse Unsicherheit ist sicherlich an der einen oder anderen Stelle immer noch da Aber ich sag es mal andersherum Die Belegschaft ist krisenerprobt Und wir spüren immer dass die Belegschaft der IG Metall und dem Betriebsrat vertraut Weil wir es immer hinbekommen haben egal mit welchem Vorstand auf der anderen Seite Es hat immer ein positives Ende gefunden Vielleicht nicht für jeden einzelnen aber sicher für die verbleibenden Beschäftigten und das gesamte Unternehmen > Auch unter dem neuen Vorstand? Geiger WirhabenbeiHeidelbergerDruck schon sehr unterschiedliche Vorstandsvorsitzende erlebt Mit Jürgen Otto steht heute ein Mann an der Spitze der sehr stark gewillt ist den Stier bei den Hörnern zu packen Aus unserer Sicht ist er ein Glücksgriff Die Zusammenarbeit klappt jedenfalls sehr gut Sicher sind wir nicht immer einer Meinung aber wir können dann offen miteinander reden Und wir verfolgen dabei immer das gleiche Ziel Wie kriegen wir es am besten für das Unternehmen hin > Tatsächlich gelten die Mitarbeiter von Heidelberger Druck sogar als besonders eng mit ihrem Unternehmen verbunden Arns Die Bindung ist in der Tat groß Trotz der großen Belegschaft ist es bei Heidelberger Druck immer familiär geblieben Viele Beschäftigte wohnen im Umfeld des Stammwerkes und kennen sich auch privat In der Fabrik ist es schon immer üblich dass man sich gegenseitig hilft die Wege sind kurz Die meisten Mitarbeiter sind stolz für Heidelberg zu arbeiten Ich kenne Kollegen die sind schon in der dritten Generation hier Geiger Mit Blick auf die demografische Entwicklung dürfte sich das allerdings in den nächsten Jahren verschieben Wir haben in Wiesloch sehr viele ältere Kollegen mit hoher Bindung an das Unternehmen die demnächst in Rente gehen Dann werden neue Leute ins Unternehmen kommen die diese Bindung so nicht haben Von entscheidender Bedeutung ist es daher in den nächsten Monaten und Jahren das Unternehmen krisenfest aufzustellen Wir können nicht darauf vertrauen dass die Leute sagen Das wird schon wieder Bei Heidelberger Druck muss der wirtschaftliche Erfolg nachhaltig zurückkehren Dann werden auch die neuen Kollegen eine große Bindung zum Unternehmen aufbauen > Anders als in anderen Unternehmen haben die Arbeitnehmervertreter von Heidelberger Druck ja sogar eigene Vorschläge eingebracht um das Unternehmen weiterzuentwickeln Sind sie genug gehört worden? Arns Nein zumindest in der Vergangenheit nicht Wir wünschen uns für Heidelberger Druck schon lange ein zweites Standbein außerhalb unseres Stammgeschäfts Das haben wir leider immer noch nicht Heidelberger Druck hat sich aus unserer Sicht zu stark auf die grafische Industrie verlassen und tut sich sehr schwer mit neuen Dingen Das Unternehmen ist eher ein Tanker und kein Schnellboot Natürlich liegt es auch an den begrenzten finanziellen Mitteln aber wir hatten auch manchmal den Eindruck dass im Management der echte Wille für Veränderung fehlt Geiger Nun haben wir die Hoffnung dass es mit Jürgen Otto an der Spitze anders wird Er hat schon zahlreiche Vorschläge gemacht teilweise öffentlich Wir stehen bereit weitere Produkte hier nach Wiesloch zu holen und werden den Vorstand dabei tatkräftig unterstützen Wir haben hier die Maschinen und die Qualifikationen auch sehr kurzfristig andere Aufträge zu bearbeiten Wir warten auf die Abschlüsse > Hat das Unternehmen also eine Zukunft? Würden Sie einem jungen Menschen raten hier eine Ausbildung zu machen? Arns Ganz klares Ja Die Ausbildung bei uns ist sehr gut die Fertigkeiten und Kenntnisse werden überall geschätzt Auch die Übernahme ist geregelt Es wird auf der Welt immer gedruckt werden vor allem der Verpackungsdruck wächst Zudem sind wir nach wie vor ein Unternehmen das einen guten Tariflohn zahlt Geiger Viele Entwicklungen stehen in der Druckbranche noch ganz am Anfang und es wird viel technisches Knowhow und einen hohen Aufwand in der Forschung Entwicklung brauchen um sie anzugehen Da sind große Unternehmen wie Heidelberger Druck klar im Vorteil Wir benötigen aber einen langen Atem um neue tragfähige Geschäftsmodelle zu finden Bei der Heidelberg-Tochter Amperfied läuft das beispielsweise gerade sehr gut > Was wünschen sie Heidelberger Druck zum Geburtstag? Arns Viele Aufträge eine wachsende Belegschaft und natürlich ein dauerhaftes Fortbestehen Geiger Weitere 175 Jahre die nicht von Krisen geprägt sind Und Großaktionäre die bereit sind den Weg mitzugehen auch wenn er etwas länger dauert Ich könnte mir zum Beispiel gut vorstellen dass künftig ein gewisser Prozentsatz der Aktien bei der Arbeitnehmerschaft liegt Das würde viel Ruhe und Kontinuität ins Unternehme bringen und helfen den Laden zusammenzuhalten Mein Vorschlag Wie wäre es wenn die Geschäftsführung eine entsprechende Anleihe herausgibt? Haben Freude an historischen Maschinen Mirko Geiger früherer Chef der IG Metall Heidelberg l und der Betriebsratsvorsitzende Ralph Arns am Empfang des Stammwerks in Wiesloch Foto Kros terwork Group beteiligte sich mit 8 5 Prozent an der Heidelberger Druckmaschinen AG > 2020 Im Juli verkündete Heidelberg den Verkauf der Tochter Gallus an die Schweizer Benpac Holding AG Dieser Verkauf wurde im Januar 2021 abgesagt da Benpac den Kaufpreis in Höhe von 120 Millionen Euro nicht fristgemäß gezahlt hatte Heidelberg machte daraufhin Schadenersatzansprüche geltend Im November 2021 wurde Konkurs über Benpac eröffnet > 2020 Ebenfalls 2020 wurde bekannt dass der Pensionsfonds der die Betriebsrenten finanzieren sollte aufgelöst wird Hintergrund war dass durch diesen Schritt 380 Millionen Euro für die Unternehmenskasse freigesetzt wurden und ein großer Teil der Schulden des Unternehmens von 250 auf 43 Millionen Euro Nettoverschuldung abgebaut werden konnte Zuvor hatten Arbeitnehmervertreter akzeptieren müssen dass die Altersvorsorge sich wieder verstärkt am operativen Erfolg des Unternehmens ausrichtet > 2021 Ein Teil des Firmengeländes in Wiesloch wurde an die VGP Group zur Entwicklung eines Industrieund Gewerbeparks verkauft Im selben Jahr verkauft das Unternehmen die Print Media Academy in Heidelberg an eine luxemburgische Investmentgesellschaft > 2021 Das KI-Tool „PAT“ startete Die „Performance Advisor Technology“ gibt Vertragskunden Handlungsempfehlungen für ihre Druckerei > 2022 Ludwin Monz folgte als Vorstandsvorsitzender auf Rainer Hundsdörfer > 2022 Es wurde eine digitale Injekt-Druckmaschine mit dem Namen Gallus One für die Herstellung von ElektronischenEtikettenvorgestellt Neben Druckmaschinen für Elektronische Etiketten investierte Heidelberger Druckmaschinen zudem ins Verpackungssegment Im Mai 2023 wurde die Flexodruckmaschine Boardmaster vorgestellt welche das weltweit wachsende Geschäftssegment Verpackung bedienen soll > 2024 Heidelberger Druckmaschinen und Canon verkündeten eine Kooperation in den Bereichen Vertrieb und Service bei Tintenstrahldruckern Zusätzlich entsteht bei den Heidelberger Druckmaschinen eine neue Inkjet-Produktfamilie unter dem Namen Jetfire deren Technik zum Teil auf Druckmaschinen von Canon basiert Im Anschluss an die Industriemesse Drupa im Frühjahr 2024 verkündete das Unternehmen im Juni eine gute Auftragslage und beendete die zeitweilige Kurzarbeit Anfang Juli 2024 wurde Jürgen Otto Nachfolger des bisherigen Vorstandsvorsitzenden Ludwin Monz Otto kündigte Restrukturierungen und eine Senkung der Personalkosten an Am Stammsitz in Wiesloch-Walldorf sollen in den nächsten drei Jahren 450 Stellen abgebaut werden Heidelberger Druck steht seit 175 Jahren an der Weltspitze im Druck-Maschinenbau Wer über einen so langen Zeitraum erfolgreich ist legt ein starkes Zeugnis ab für Innovationskraft Kundenorientierung und Zuverlässigkeit und somit Zukunftsfähigkeit Im Maschinenbau kommt es gerade heute auf die globale Präsenz und Leistungsfähigkeit an Nicht nur mit den innovativenDruckmaschinen sondernauch mit Steuerungssoftware Datenmanagement und ebenso Weltklasse-Service Dafür steht international „made by HEIDELBERG“ mit den „Wurzeln in der Region Rhein-Neckar“ – eine Historie auf die das Unternehmen zurecht stolz sein kann „ Bertram Kawlath Präsident des Maschinenbauverbands VDMA 175 JAHRE HEIDELBERGER DRUCK 15 Nr 58 Rhein-Neckar-Zeitung Dienstag 11 März 2025