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SCHÜLER MACHEN ZEITUNG 3 Rhein-Neckar-Zeitung 8 Juli 2025 Im Interview spricht ein einstiger Wehrpflichtiger über seine Zeit bei der Bundeswehr „Es war für uns alle wie ein Spiel“ Von Julia Baumhögger Klasse 8a Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium Eppelheim In den letzten Monaten kam das Thema „Soll es eine Rückkehr zur Wehrpflicht in Deutschland geben?“ immer wieder in der Politik und den Medien zur Sprache Besonders bei den jungen Menschen in Deutschland war das relevant und durchaus beunruhigend da diese direkt davon betroffen wären Ich habe mich gefragt wie war das damals als es noch eine Wehrpflicht gab und habe dieses Interview mit einem anonymen ehemaligen Wehrpflichtigen geführt Guten Tag Sie waren direkt nach dem Abitur 1997 als Sie gerade mal 19 Jahre alt waren zehn Monate als Wehrpflichtiger bei der Bundeswehr Wie war der Aufnahmeprozess und wie haben Sie diesen erlebt? Ich habe zunächst Post erhalten vom Kreiswehrersatzamt in meinem Heimatort in dem ich um ein persönliches Erscheinen gebeten wurde Bei diesem Termin der sogenannten Musterung wurde ein Gesundheitscheck vorgenommen – körperlich und psychisch An den Gesundheitscheck erinnere ich mich noch recht gut – das waren Standarduntersuchungen wie Blutdruckmessen Größe und Gewicht feststellen und es wurde geschaut wie man läuft oder ob man körperliche Beeinträchtigungen hat Bei so einer Untersuchung ergab sich dann eine Wehrtauglichkeitsstufe in der Bandbreite von T1 bis T4 Tfür Tauglichkeit Ab Stufe T4 war man wehruntauglich man musste dann nichtzurBundeswehr BeiT1warman dann für besonders anstrengende Tätigkeiten wie Pilot oder Fallschirmspringer qualifiziert Sie mussten die Pflichtzeit von zehn Monaten leisten die im Jahr 1997 bei der Bundeswehr vorgeschrieben waren WiehabenSiedieerstenTageoder Wochen erlebt? Kurz bevor ich meinen Dienst angetreten habe hatte ich gerade mein Abitur bestanden Mein Dienst begann am 1 Juli 1997 und es war ein großer Unterschied zu meinem Leben als Schüler Im Gegensatz zu meinem sehr „freien“ Leben als Schüler fand ich mich wieder in einer Situation die sich durch starke Hierarchien auszeichnete Man musste lernen Befehle auszuführen diskutieren konnte man da nicht viel Ich kannte aus meiner Gruppe niemanden und musste mir mit vollkommen fremden Personen ein Zimmer teilen und den Alltag gemeinsam meistern Nachts schliefen wir zusammen in einem großen Raum mit Hochbetten die Ausstattung erinnerte an Jugendherbergen DerTagesablaufwarstrikt vorgegeben Es gab ein umfangreiches Programm an sagen wir sportlichen Ertüchtigungen die am Anfang doch anstrengend waren Auch lernten wir mit Waffen umzugehen Wir lernten verschiedene Waffentypen kennen bauten sie auseinander reinigten sie stundenlang und setzten sie dann wieder zusammen Der Umgang mit den Waffen machte schon Spaß und mir gefiel es wenn wir damit Zielübungen machten Es war allerdings eher wie ein Spiel und die Zielscheiben waren niemals wie Menschen ausgestaltet oder erinnerten daran dass es um Menschen gehen könnte Wie sah denn ein typischer Tagesablauf bei der Bundeswehr in der Grundausbildung aus? Geweckt wurden wir etwa um viertel vor 6 Uhr morgens Dann gab es Frühstück für alle Dienstbeginn war um 7 Uhr Wir hatten täglich festes Programm bis 17 Uhr Dieses bestand vor allem aus sportlichen Übungen darunter stupides Marschieren in langen Viererreihen Wir „spielten“ oder übten für den Kriegsfall durch Hindernisparcours mit schwierigen Steigungen mussten dabei schwere Stiefel tragen und unsere Uniformen – der volle und schwere Rucksack nicht zu vergessen Wir mussten Holzwände erklimmen und lernten uns zu vergraben oder in Gräben zu verstecken Es gab vor allem in der Grundausbildung auch viel theoretischen Background zu lernen – unter anderem die Rechte von Soldaten Freitags war um 15 Uhr Dienstschluss und wir hatten frei bis Sonntag 18 Uhr Um diese Zeit mussten wir wieder in der Kaserne eingetroffen sein Hatten Sie nur die Wochenenden frei oder auch Freizeit zwischendurch? Wir hatten Urlaubstage die wir nach der Grundausbildung nehmen durften Auch hatten wir abends nach den festen Terminen und Übungen immer frei und konnten uns in der Kaserne frei bewegen Da haben wir gemeinsam gegessen Bier oder Cola zusammen getrunken Karten gespielt Wie waren Ihre Besuchsmöglichkeiten? Konnten Sie Familie und Freunde oft besuchen? In der Grundausbildung duften wir nur jedes Wochenende nach Hause fahren Ich war nach den drei Monaten Grundausbildung dann glücklicherweise in einer Kaserne eingeteilt worden die ich mit dem Auto in recht kurzer Zeit erreichen konnte und so fuhr ich fast jeden Abend nach Hause Besuche erhalten konnten wir in der Kaserne aber nicht Sie haben sich nach den zehn Monaten Wehrdienst entschieden nicht bei der Bundeswehr zu bleiben Hatte diese Zeit dennoch Auswirkungen auf Ihr weiteres Leben? Ja allerdings Vor allem in der Zeit direkt danach hatte ich mir das frühe Aufstehen angewöhnt und konnte nicht mehr lange ausschlafen Auch das äußerst gründliche Putzen was ich dort gelernt habe ist mir geblieben Die Ausbilder haben den Putzdienst immer sehr gründlich kontrolliert seitdem putze ich auch sehr gründlich Ebenso habe ich gelernt Hemden auf eine besonders sorgfältige und platzsparende Art zu falten Und ich habe gelernt wie man sein Bettperfektundfaltenfreimacht Und das Wandern durch den Wald macht mir heute noch Spaß Haben Sie noch eine besonders präsente Erinnerung an diese Zeit? Ja auf jeden Fall Wir hatten ein Biwak gebaut und verbrachten zwei Tage in unserem Unterschlupf Wir waren dort ohne Rückzugsmöglichkeit Es gab keine sanitären Anlagen und es war sehr dreckig Die Zeit habe ich als sehr kräftezehrend in Erinnerung Möchten Sie aus Ihrer Erfahrung den heute jungen Menschen noch etwas mitgeben über die Wehrpflicht? Ich würde diese Zeit nicht verklären oder beschönigen Als ich meinen Wehrdienst abgeleistet habe gab es in Europa keine bedrohlichen Konflikte in der Nähe so dass wir das eher nicht so ernst genommen haben Es war für uns alle wie ein Spiel oder eine lästige Pflicht und ich habe mir nicht vorgestellt in einem Ernstfall eingesetzt zu werden und damit konfrontiert zu sein einem Menschen gegenüberzustehenundzuwissen wir beide haben den Auftrag den jeweils anderen zu verletzen oder sogar zu töten Dennoch bin ich überzeugt davon dass es wichtig ist sein Land im Notfall verteidigen zu können oder auch anderen Verbündeten beizustehen die angegriffen wurden Ich bin persönlichfroh dassichnichtineinem Krieg eingesetzt wurde und dass die Übungen die ich gemacht habe nur Übungen waren und niemals ernst Ob die Wehrpflicht wieder eingeführt werden soll wird aktuell diskutiert Foto dpa