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Vor 80 Jahren am 5 September 1945 wurde die Rhein-Neckar-Zeitung gegründet An diesem Tag erhielten die drei Herausgeber die Zeitungslizenz aus den Händen der USamerikanischen Militärregierung Unter ihnen war auch der später Bundespräsident Theodor Heuss Zuvor hatten amerikanische Presseoffiziere noch Zweifel an seiner demokratischen Zuverlässigkeit geäußert die aber ausgeräumt werden konnten Von nun an verkörperte er in seinen Artikeln die liberale Seite des Blattes Er wirkte als Erzieher der Deutschen zur Demokratie und warnte vor einem übersteigerten rassistischen Nationalismus Doch sein Weggang aus Heidelberg und seine vielen anderen Aufgaben führten dazu dass er ein Herausgeber ohne Macht blieb Entdeckung in Heidelberg Ende April 1945 spielte sich im Heidelberger Vorort Handschuhsheim eine kuriose Szene ab Das Deutsche Reich hatte noch nicht bedingungslos kapituliert da standen bereits zwei US-Soldaten in Kampfuniform vor dem idyllischen Häuschen im Kehrweg 4 und klingelten vergeblich – der Strom war ausgefallen Vorsichtig kletterten sie über den Zaun und klopften an der Haustür Zunächst lugte nur eine ältere Dame aus dem Dachfenster dann öffnete ein ausgemergelter Herr die Tür Der Offizier erläuterte kurz den Grund seines Besuchs und wurde hereingebeten Nach einem längeren Gespräch entspannte sich die Atmosphäre eine Flasche Wein wurde entkorkt und die Runde stieß auf das Ende des „Dritten Reiches“ und eine gute Zusammenarbeit an Es war die Geburtsstunde der Rhein-Neckar-Zeitung Der US-Offizier der über diese Begegnung mehr als ein Jahrhundert später berichtete war John H Boxer Der österreichische Emigrant suchte am Ende des Kriegs nach geeigneten Herausgebern für neue Zeitungen nach der NS-Diktatur Dabei wurde er auch auf den ehemaligen Reichstagsabgeordneten Theodor Heuss 1884–1963 aufmerksam – der ausgemergelte Herr im Kehrweg 4 Heuss war im Herbst 1943 mit seiner Ehefrau Elly Heuss-Knapp aus Berlin vor den Luftangriffen und politischer Verfolgung ins abgeschiedene Handschuhsheim zu seiner Schwägerin geflohen Er stand bei den amerikanischen Alliierten bereits seit 1944 auf einer sogenannten „Weißen Liste“ mit Personen die dem Nationalsozialismus ablehnend gegenüberstanden Als „uncompromising democrat“ empfohlen sollte er eine wichtige Aufgabe beim demokratischen Reeducation-Programm übernehmen Aber es war nicht allein seine Vergangenheit als liberaler Politiker in der Weimarer Republik sondern auch seine Erfahrung als Journalist die ihn als geeignet erscheinen ließen den Wiederaufbau einer demokratischen Presse im Südwesten mitvoranzubringen Ein Leben lang Journalist Denn was viele nicht wissen Theodor Heuss der spätere Bundespräsident war bereitsals jungerMannhauptberuflich im Journalismus tätig Schon mit 28 Jahren hatte Heuss die Chefredaktion der Heilbronner „Neckar-Zeitung“ übernommen später gehörte er der Hauptstadtpresse in Berlin an Seine politische Karriere kam erst allmählich nach 1919 in Schwung zunächst in der Berliner Kommunalpolitik dann ab 1924 auch auf Reichsebene Parallel blieb Heuss als Redakteur Herausgeber oder freier Autor dem Pressewesen stets treu zu dem er immer wieder zurückkehren konnte wenn seine politische Arbeit ins Stocken geriet So war seine publizistische Tätigkeit auch Politikersatz und Einnahmequelle als er 1933 alle seine politischen Funktionen verlor Und nun im Frühjahr 1945 sollte ihm der Journalismus wieder den Weg in die Öffentlichkeit ebnen Die USamerikanische Pressepolitik sah vor Lizenzen für überparteiliche Blätter an Personen zu vergeben die verschiedenen Parteirichtungen nahestanden Neben dem Sozialdemokraten Hermann Knorr dem Kommunisten Rudolf Agricola und einem Vertreter der katholischen Zentrumspartei sollte Heuss das liberale Element im Herausgebergremium der neuen Rhein-Neckar-Zeitung vertreten Doch er zögerte hatte er doch nach dem Krieg andere vor allem literarische Pläne So wollte er seine Biografie über Robert Bosch abschließen seine Jugenderinnerungen schreiben und eine Geschichte des Nationalsozialismus verfassen Schließlich gab Heuss Anfang Juli 1945 dem Drängen der Amerikaner nach „damit das Blatt nicht zu einseitig links wird“ wie er einer Cousine schrieb Zweifel an der demokratischen Zuverlässigkeit Aber die Lizenzvergabe verzögerte sich im August als bei der obligatorischen Sicherheitsüberprüfung der vorgeschlagenen Herausgeber auch Zweifel an der demokratischen Zuverlässigkeit von Heuss laut wurden Einige amerikanische Presseoffiziere warfen ihm vor er habe während des „Dritten Reiches“ als Journalist zu eng mit dem nationalsozialistischen Regime und der NS-Presse zusammengearbeitet Auch habe er mit seiner Biografie über Robert Bosch einem Rüstungsproduzenten ein Denkmal gesetzt und in dieser Zeit ein verdächtig hohes Einkommen bezogen Letztendlich aber ließ sich aus diesen Befunden keine schlüssige Argumentation gegen Heuss aufbauen vor allem auch weil zwei wichtige Punkte aus seinem Leben bei seinen Kritikern wohl unbekannt waren die Zustimmung zum Ermächtigungsgesetz 1933 und die Mitarbeit bei der NS-Feierliche Übergabe der Lizenz Nummer 9 durch US-Oberst Stanley r an die RNZ-Herausgeber v r n l Dr Theodor Heuss Dr Hermann Knorr und Dr Rudolf Agricola am 5 September 1945 Foto RNZ-Archiv „Uncompromising Democrat“? Theodor Heuss und die Rhein-Neckar-Zeitung Von Ernst Wolfgang Becker Immer fair „Im Editorial der ersten Ausgabe der Zeitung vom 5 9 1945 ist die Selbstverpflichtung zum ‚leidenschaftlichen Kampf gegen die Lüge‘ als wichtiges Ziel formuliert Ein Ziel das heute so aktuell ist wie damals Und eine Haltung die unermüdlich demokratische Strukturen fördert und Diskurs kultiviert Das gilt auch für die Kultur die in der RNZ einen kenntnisreichen und kritischen dabei aber immer fairen Begleiter gefunden hat Die RNZ war ist und bleibt unverzichtbar “ Rainer Kern Gründer und Intendant Enjoy Jazz Festival 80 JAHRE RNZ 26 Rhein-Neckar-Zeitung Nr 206 Samstag Sonntag 6 7 September 2025 ANZEIGEN