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SCHÜLER MACHEN ZEITUNG 5 Rhein-Neckar-Zeitung 10 April 2025 Verletzungen dokumentieren Beweise sichern die Gewaltambulanz in Heidelberg „Wir müssen schnell sein“ Die Gewaltambulanz Heidelberg ist eine wichtige Anlaufstelle Rechtsmedizinerin Prof Kathrin Yen Gründerin und Leiterin der Gewaltambulanz Heidelberg gibt Einblicke in die Geschichte und Arbeit der Ambulanz die Herausforderungen und ihre Bedeutung im Hilfesystem Liebe Frau Professorin Yen könnten Sie einleitend kurz beschreiben was die Aufgaben der Gewaltambulanz sind und worin Ihre Arbeit im Einzelnen besteht? Gerne Die Gewaltambulanz in Heidelberg ist eine wichtige Anlaufstelle für Menschen die körperliche oder sexuelle Gewalt erlitten haben Die Ambulanz bietet sowohl vor Ort als auch mobil für Betroffene kostenlose auf Wunsch verfahrensunabhängige Untersuchungen an Betroffene Personen können sich rund um die Uhr bei uns melden ebenso Ärzte oder Jugendämter wie zum Beispiel bei Verdacht auf Kindesmissbrauch Wir besprechen dann wo und wie die Untersuchung stattfindet Wann haben Sie die Ambulanz hier in Heidelberg gegründet und was hat das für Sie bedeutet? Ich war zuvor in Österreich tätig und habe dort bereits eine Gewaltambulanz eingerichtet Als ich 2011 nach Heidelberg kam war es mir ein großes Anliegen auch hier eine solche Einrichtung ins Leben zu rufen da es viele von Gewalt betroffene Menschen gibt die Hilfe benötigen Viele kennen uns aus Krimis aber wenige wissen dass wir nicht nur für die Obduktion von Todesopfern sondern auch für lebende Menschen zuständig sind Wir wissen wie man feststellen kann ob jemand Opfer von Gewalt wurde wie heftig der Angriff war und wie er sich abgespielt hat Ich hatte großes Glück dass das Uniklinikum Heidelberg sofort bereit war uns bei der Gründung der Gewaltambulanz zu unterstützen Das ist beeindruckend Wie viele Personen gehören denn inzwischen zu Ihrem Team und was sind im Einzelnen ihre Aufgaben? Im Schnitt sind wir um die zehn ärztliche Mitarbeiter Dazu kommen das Sekretariat und die Laborabteilungen Insgesamt sind wir am Institut circa55Personen Wirhabenaberauch den klassischen postmortalen Bereich und eine toxikologische Abteilung die Vergiftungen Alkoholisierung und Drogenkonsum untersucht Das spielt etwa eine Rolle wenn jemand Ko - Tropfen bekommen hat Ebenso haben wir eine DNA-Abteilung die Spuren wie Sperma bei sexuellen Übergriffen untersucht Gibt es typische Anzeichen für Gewalt die man erkennen kann? Ja es gibt viele Anzeichen die je nach Art der Gewalt unterschiedlich sind Verletzungen an unerwarteten Stellen wie hinter den Ohren am Hals oder an der Innenseite der Arme sind oft ein Hinweis auf Gewalt etwa durch festes Zupacken Verletzungsbefunde wie kleine Einblutungen in den Bindehäuten können anzeigen dass jemand in Lebensgefahr war weil die Person gewürgt wurde Bei sexueller Gewalt gibt es ebenfalls spezifische Verletzungen Grundsätzlich sollte man misstrauisch werden wenn jemandeineGeschichteerzählt dienicht zu den Verletzungen passt wie etwa zu einem Sturz Gerade auch bei kleinenKindern dienochnichtmobilsind kann es auffallen wenn die Erklärung nicht mit den Verletzungen übereinstimmt Wie wichtig ist der Zeitraum zwischen der Gewalttat und der Untersuchung? Der Zeitpunkt spielt eine enorme Rolle da viele Beweise wie Ko -Tropfen nur in den ersten Stunden nach der Tat nachweisbar sind DNA-Spuren gehen verloren sobald sich Betroffene zum Beispiel waschen Auch manche Verletzungen können schnell abheilen Wenn die Untersuchung zu spät erfolgt gehen also wichtige Beweise verloren Daher ist es entscheidend so schnell wie möglich zu untersuchen um diese Beweise zu sichern Aber wie stellen Sie sicher dass Personen in abgelegenen Ortschaften oder Kinder die nicht selbst zu Ihnen kommen können zeitnah untersucht werden? Das ist ein großes Thema Wir arbeiten daran die Versorgung zu verbessern Ein Beispiel ist unser telemedizinisches Projekt bei dem wir in Echtzeit mit Ärzten vor Ort in Partnerkliniken zusammenarbeiten So können wir Untersuchungen aus der Ferne begleiten und eine rechtsmedizinische Diagnose stellen Im gesamten Raum Nordbaden und Stuttgart fahren wir aber auch selbst zu den Untersuchungen So decken wir mittlerweile ein großes Gebiet in Baden-Württemberg ab Was passiert mit der betroffenen Person nach der Untersuchung? Bleiben Sie weiterhin in Kontakt? Und welche weiteren Anlaufstellen gibt es für Opfer? Es gibt viele Unterstützungsangebote besonders in Heidelberg Wir selbst bieten einen Lotsenservice an bei dem eine psychosoziale Fachkraft die Opfer an die richtigen Stellen im Hilfesystem weitervermittelt etwa zu Beratungsstellen wie der Interventionsstelle oder dem Frauennotruf Dieses Angebot ist freiwillig aber viele nutzen es um akut oder längerfristig unterstützt zu werden Mir liegt eine letzte Frage auf dem Herzen Durch Ihre Arbeit sehen Sie nahezu täglich die Opfer unterschiedlichster Gewalttaten Ist das auch eine Belastung für Sie? Ja es gibt immer wieder schwierige Vorfälle die überhaupt nicht alltäglich und emotional belastend sind Vor Kurzem wurde zum Beispiel ein Fall verhandelt bei dem zwei ukrainische Frauen umgebracht wurden Man hatte versucht ihnen ein Kind zu rauben hat die Mutter und die Großmutter umgebracht und den erst wenige Wochen alten Säugling an sich genommen Solche Vorfälle gehen unter die Haut Grundsätzlich ist die Belastung in der Rechtsmedizin jedoch ähnlich wie in der klinischen Medizin Man hat überall mit Menschen und ihren teils sehr schweren Schicksalen zu tun Wichtig ist dass man einen Ausgleich findet und nicht alles mit nach Hause nimmt Das wäre nicht zu schaffen Das Interview führte Laetitia Annabelle Orbán Schülerin der 9 Klasse der Freien Waldorfschule Heidelberg Prof Kathrin Yen ist Ärztliche Direktorin des Instituts für Rechtsmedizin und Verkehrsmedizin am Universitätsklinikum Heidelberg Foto Philipp Rothe